Bis dass der Tod uns scheidet

Von Andreas Teutsch.

Hektik herrschte im Großraumbüro der kriminalpolizeilichen Nebenstelle Warendorf, als der völlig übernächtigte Polizeihauptmeister Günter Tewes kurz vor acht Uhr den Hörer abnahm. Seine Kollegen bemerkten an seinem verzogenen Gesicht, dass er Schwierigkeiten hatte, den Anrufer zu verstehen.

"Haltet doch mal die Fresse!"

Er winkte einen Mitarbeiter zu sich und schaltete den Lautsprecher am Telefon ein.

"Wiederholen Sie bitte nochmal."

"Es ist hier die Gendarmerie de Cantobre an die Apparat, Inspecteur Forgé, es ist swei Leisch gefunden ier, die Nummer von die Registration ist von innen, eine Mercedes C dreiünderfünf, bitte schicken Sie eine collègue."

"Heißt das, daß die Opfer Deutsche sind?", wollte Tewes wissen.

"Wir aben Grund su diese... eh, eh... Gedanke", antwortete Forgé.

Forgé und Tewes einigten sich darauf, daß die Franzosen erst einmal einige Details ihrer bis dahin gelaufenen Ermittlungen herfaxen sollten. Eine Stunde später lag das Fax auf seinem Tisch. Als er und die Fremdsprachensekretärin Gisela Müller das Fax entziffert hatten, war er um einiges schlauer. Es handelte sich um den Warendorfer Organisten Walter Burger in Begleitung seiner angeblichen Frau Nadine. Tewes war verblüfft.

Er kannte die Frau von Burger und fuhr deshalb sofort persönlich bei ihr vorbei. Als sie ihm die Tür öffnete, fragte sie verwundert: "Du bist schon da?"

"Nein, nein; ich komme dienstlich; ich hab 'ne unangenehme Nachricht für dich. Laut unseren Informationen ist Walter tot. Seine Leiche und die seiner angeblichen Frau sind in irgendeinem Kaff in Südfrankreich gefunden worden. Anscheinend von irgendeinem Balkon runtergefallen."

Mehr konnte Tewes Frau Burger zu dem Zeitpunkt nicht erzählen. Sie wirkte nicht besonders betroffen. Seit fünf Jahren wohnten sie und ihr Mann nur noch im gleichen Haus, aber jeder führte sein eigenes Leben. Polizeihauptmeister Tewes hatte sie vor circa drei Jahren auf dem örtlichen Feuerwehrball kennengelernt.

Tewes wollte sich noch am selben Tag auf die Reise machen, um den Fall zu klären.

Als er 24 Stunden später eintraf, wurde er am Bahnhof von Forgé begrüßt. Dieser Forgé hörte nicht auf zu grinsen und "Ah, ces Allemands, ces Allemands" zu sagen.

"Nun reden Sie schon! Was ist los?", wollte Tewes wissen.

"Oh, warten Sie. Wir aben einig Überraschunk von die Obduction."

Nach ein paar Minuten hielten sie vor der Station Médicale de Cantobre. In einem weißgekachelten Raum standen zwei Bahren. Neben der linken Bahre befand sich ein Operationstisch, auf dem, neben medizinischen Instrumenten, eine blonde Perücke lag. Inspecteur Forgé hob erst das Tuch der rechten Bahre hoch. Tewes identifizierte die Leiche von Walter Burger und bemerkte auch den T-Schnitt, der bei einer Obduktion gemacht wurde.

"Was ist überhaupt passiert? Wieso haben Sie ihn aufgeschnitten? Hatten Sie überhaupt das Recht dazu?"

"Oh", lachte Forgé, "und ob wir das atten. Bien sûr, es ist klar, dass es war suicide, aber warten Sie..."

Er zog das Tuch der linken Bahre ein Stück in die Höhe. Tewes war etwas verwundert. Sie sah eigenartig aus. Das kurze schwarze Haar paßte nicht zu den dicken grünen Ohrringen.

Dann zog Forgé das Tuch ganz weg. Der unappetitliche T-Schnitt ging über den ganzen Thorax. Tewes sah keinen Busen. Dafür aber einen Penis.

Er stammelte: "Meinen Sie etwa, dass..."

"Aber natürlisch", unterbrach ihn Forgé, "oder glauben Sie etwa, wir ätten es ihr oder ihm angenäht?"

"Aber das ist doch trotzdem noch kein Grund für eine Obduktion", beharrte Tewes.

"Aber natürlisch ist es", antwortete Forgé. "In die Simmer von die Hotel, wir aben gefunden viel jeux. Wir aben gefunden Peitsch und - und ... menottes... wie sagt man: für arrêter die Verbrescher an die And?"

"Handschellen."

"Voilà, Andscheller, aben wir auch gefunden. Und noch viel choses mähr. Aber, plus étonnant, wir aben auch entdecken vier Gramm cocaïne. Desalb wir aben den Fall schon an Interpol geleiten müssen. Voilà, mon cher collègue, der Fall ist schon aus Ihren Änden."

"Wie kam es denn zum Tod? War es eine Überdosis?", wollte Tewes noch wissen.

"Nein", antwortete sein französischer Kollege. "Laut Obduction können wir das nischt annehmen. Sie waren sischerlisch... eh, eh... excités und aben gedacht sie können fliegen. Et voilà!"

Als Tewes am nächsten Tag zu Hause ankam, ging er sofort zur Witwe Burger. Im Wohnzimmer tranken beide erst einmal einen Whisky. Tewes erzählte, was sich in Frankreich abgespielt hatte. Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa.

Am Ende seines Berichts nahm ihm Frau Burger das Glas ab, stellte es auf den Tisch und zog Tewes zu sich heran. Sie flüsterte ihm ins Ohr:

"Das ist doch jetzt alles egal. Besser hätte es nicht kommen können."

Beide verschwanden eilig im Schlafzimmer.