Stammtisch mit Bildzeitung. Eine Kneipenmoritat.

Von R.K.

Liebe ist wat Schlimmes, Kinder,
Keen Vergleich mit Alkohol.
Dieser schadet nur dem Sünder,
Jene mordet blind. Zum Wohl!
Leute, merkt euch diesen Satz:
Liebe ist keen Schnapsersatz.
Walter Berger, einundvierzig,
Und Nadine, dreißig, gesund,
Liebten völlig ungeniert sich
Werk- und feiertags. Na und?
Sagt Ihr jetzt - ist doch banal!
Prost! Jetzt hört 'nen Trauerfall.
Er war Leiter eines Chores,
Kirchenmusiker, Berlin,
Nadine war Sopran, bevor es
Grauslich mit ihr abwärts ging.
Schuld daran war wer? - Jenau.
Walter Bergers Ehefrau.
Er pocht uff det Recht uff Liebe
Jedes Menschen uff der Welt,
Denn wat zu Nadine ihn triebe,
Hätt zu Hause ihm jefehlt.
Sprach Isolde: "Meine Jüte.
Scheidung kommt nicht in de Tüte!"
Walter Berger heul- und tobte
Tränenreich, lag uffn Knien
Vor Frau Berger und jelobte,
Haus und Auto gäb er hin,
Selbst de Kinder - alle vier
Blieben scheidungsfalls bei ihr.
Doch Isolde übertönte
Walters Klage und schlug vor,
Det er sich mit ihr versöhnte,
Andernfalls - da sei Jott vor.
Auch die Kinder, uffjehetzt,
Brüllten: "Papa, lass det jetzt!"
Walter Berger stürmt von dannen
Schnurstracks durch de Nebelnacht.
"Leben!", rief er, "nischt als Pannen!"
Und hat schauerlich jelacht.
Wer ihm sah, bekam 'nen Schreck,
Schlug ein Kreuz und schaute weg.
Erst in Nadines blonden Armen
Löste sich sein tiefer Schmerz.
Leute, glaubt mir, dat Erbarmen
Schlägt auf Magen mir und Herz.
(Hallo, Ober, noch so'n Paar
Bockwürste. Ick zahl heut bar.)
Na, wo war ick stehn jeblieben?
Richtig - uff dem Doppelbett,
Wo sich beede innigst lieben.
Leute, ehrlich, sie war nett:
Blaue Augen, blondes Haar,
Und ein Busen wie'n Altar.
Außerdem, eh ick's verjesse:
Fromm war sie. Lief immerzu
Zwecks Jesanges in de Messe.
Eene Inbrunst! Und der Clou:
Beim Orgasmus, janz diskret,
Murmelt se een Stoßjebet.
(Prost!) Um etwas abzukürzen,
Komm ick gleich zum bittren Schluss,
Wo sie sich vom Felsen stürzen,
Dreißig Meter uff den Stuss,
Pardon, den Strand. Wat soll denn das?
(Ober - noch'n Pils vom Fass.)
Droben standen sie, vereinet,
An den Händen anjekettet.
Nadine betet, Walter weinet,
Niemand da, der beide rettet.
Bloß ein BILD-Reporter stand
Mit der Kamera am Strand.
Der ruft endlich: "Uff de Plätze!"
Und se stehen, schlotternd, schon
Vorn am Abgrund. Man versetze
Sich in so 'ne Situation!
Denk ick dran, droht mir'n Kollaps.
Leute, zahlt mir noch 'nen Schnaps.
Danke. Jetzt jehts mir schon besser.
Also wo...? Na klar, ick weiß:
"Fertig!" Den Belichtungsmesser
Einjestellt - und "Los!!" ... So'n Scheiß,
Ick benötije noch 'nen Schluck.
Ick hab hier so'n Magendruck.
"Uff de Plätze!" (Hicks!) Det hatten
Wir, ick weeß. Dann: "Fertig. Los!" ...
Und sie flogen zu den Schatten
Romeas und Julios... Det wars. Prost! Bleibt doch noch. Hicks!
Scheißleut. Kapiern von Liebe nix.